Wort für Sonntag
P. Dr. Heinrich Dumont SVD
1. Die Wirklichkeit der Heiligen Familie
„Die Verehrung der HI. Familie Jesus, Maria und Josef nahm im 19. Jh., vor allem von Kanada aus, einen weltweiten Aufschwung und wurde besonders durch Leo XIII. gefördert. Er sah in ihr ein hilfreiches Vorbild für die gefährdete christliche Familie“ (Adam/Berger, Pastoral-liturgisches Handlexikon).
Die Älteren von uns erinnern sich noch an das große Wandbild von dieser Familie, das im guten Zimmer hing. Es stellte Josef als alten Mann dar, der in der Hand einen blühenden Stab trug. Maria, ganz in Weiß gekleidet, hatte ihren Jungen an der Hand und schaute den Betrachter gütig an. Bei diesem Bild stand die außerbiblische (apokryphe) Literatur des frühen Christentums Pate, wonach Josef ein Witwer war, der in späten Jahren Maria heiratete. Aus der gleichen Quelle stammten auch die Erzählungen und Streiche des kleinen Jesus, die zeigen wollten, dass Jesus ganz anders war als die übrigen Kinder.
Wenn wir aber unser Neues Testament zur Hand nehmen, erfahren wir fast nichts über die frühen Lebensjahre Jesu. Aus Lukas wissen wir nur, dass er als Zwölfjähriger die Wallfahrt nach Jerusalem mitmachte und dort ohne Wissen der Eltern drei Tage verblieb. Als diese ihn endlich im Tempel wiederfanden, formulierte Maria die vorwurfsvolle Frage: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Sie bekam die Gegenfrage: „Wusstet ihr nicht, dass ich im Hause meines Vaters sein muss?“
Und die Reaktion hierauf: „Sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen untertan.“
Die ganze Geschichte mutet uns auch heute sonderbar an und liegt quer zu den Vorstellungen von einem gehorsamen Kinde. Bei alledem lebte Jesus in einer ganz normalen Familie. Oder?
2. In dieser Familie herrschte nur Gott
Lukas, der uns die Berichte über Verkündigung und Geburt Jesu erzählt, wollte seinen Lesern sagen, dass Jesus sich von klein an als der Sohn des himmlischen Vaters wusste. Dieser Überzeugung folgten die großen Kirchenversammlungen der folgenden Jahrhunderte. Lukas betont nun, dass Jesus den Gesetzeslehrer Erstaunliches über Gott und seinen Dienst sagen konnte. Göttliche Weisheit und Verständigkeit werden ihm hier zugesprochen (G.K. Müller, SKK 3, 42).
Beides charakterisiert den kommenden Wanderprediger und Verkünder der Gottesherrschaft: Wissen um Gott und einfühlender Umgang mit den Menschen.
Das galt auch für die Eltern Jesu: er versteht ihre Angst und Not, kann aber nur darauf hinweisen, dass er letztlich nur einem Gehorsam schuldet, Gott, seinem Vater. Vor ihm weichen alle anderen Autoritäten zurück. Wenn Gott auch das vierte Gebot gegeben hat, so steht doch vor allen Geboten das Wort: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Und an einer anderen Stelle der Bibel (Dtn 6,4-7) heißt es: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft … Das sollst du deinen Söhnen wiederholen und davon reden, wenn du zu Hause sitzt oder auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn die aufstehst (vgl. Lk 10,25-28).
An diese Vorschrift haben sich Maria, die Magd des Herrn, und Josef, der Gerechte, zeitlebens gehalten. Was aber der Wille Gottes im Einzelnen bedeutet, musste immer neu erfragt werden. Und das war für Maria, von der Lukas öfters in seinem Evangelium spricht, ein großes Problem und stellte einen fortdauernden Lernprozess dar, der erst mit der Auferstehung Jesu ein grundsätzliches Ende fand. Erst jetzt konnte sie sagen: Nun verstehe ich all die Worte, die ich in meinem Herzen aufbewahrt hatte.
3. Eine aufgeschlossene Familie
Jesus wuchs in einem recht aufgeschlossenen und liebevollen Milieu auf. Hier konnte er sich auf seinen Beruf vorbereiten.
Was wir Lukas entnehmen können, ist Folgendes vor allem. In dieser Familie spricht man miteinander (Bereitschaft zum Dialog, würden wir sagen). Man darf ruhig nervös und gereizt sein; man wird deshalb nicht getadelt, sondern erhält eine gute Antwort. Der Fall ist erledigt. In dieser Familie darf jeder sein, was er ist. Der Junge kann sich ruhig von den Eltern trennen, ohne dass sie ihm das übelnehmen. Sie gestehen ihm seinen neuen Status zu: als Zwölfjähriger im Sinne des Gesetzes volljährig zu sein. Keine Frage, es bestand keine überzogene Mutterbindung. In dieser Familie muss man sich auch unterordnen, genau wie in jeder anderen geordneten Gemeinschaft. Im konkreten Alltag darf man nichts übers Knie brechen. Der Jüngere muss den Älteren respektieren und ebenso umgekehrt die Eltern das Kind. Es ist nun einmal so, dass man aneinander lernen muss. Hierher gehört auch die gegenseitige Hilfe bei der anfallenden Arbeit. Später erkannte man Jesus daran, dass er seinem Vater bei der Arbeit zur Hand ging (Sohn des Zimmermanns).
In dieser Familie wurde auch, wie bei allen frommen Familien damals, viel gebetet. Man unterhielt sich über die Thora/Gesetz Gottes und erklärte es den Kindern. Man erzählte sich von der großen Hoffnung Israels, dass einmal der Messias kommen werde, der alles ins rechte Lot bringen wird. So wusste Jesus, was sich in den Herzen der kleinen Leute bewegte und wie sie sich nach der Rettung durch Gott sehnten. Dies war bedeutsam für das kommende Leben Jesu; er solidarisierte sich mit ihren Hoffnungen und deutete sie von Gott her. So verstehen wir, dass Lukas sein Kapitel abschließt mit den Worten: „Jesus wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.“
„Die Verehrung der HI. Familie Jesus, Maria und Josef nahm im 19. Jh., vor allem von Kanada aus, einen weltweiten Aufschwung und wurde besonders durch Leo XIII. gefördert. Er sah in ihr ein hilfreiches Vorbild für die gefährdete christliche Familie“ (Adam/Berger, Pastoral-liturgisches Handlexikon).
Die Älteren von uns erinnern sich noch an das große Wandbild von dieser Familie, das im guten Zimmer hing. Es stellte Josef als alten Mann dar, der in der Hand einen blühenden Stab trug. Maria, ganz in Weiß gekleidet, hatte ihren Jungen an der Hand und schaute den Betrachter gütig an. Bei diesem Bild stand die außerbiblische (apokryphe) Literatur des frühen Christentums Pate, wonach Josef ein Witwer war, der in späten Jahren Maria heiratete. Aus der gleichen Quelle stammten auch die Erzählungen und Streiche des kleinen Jesus, die zeigen wollten, dass Jesus ganz anders war als die übrigen Kinder.
Wenn wir aber unser Neues Testament zur Hand nehmen, erfahren wir fast nichts über die frühen Lebensjahre Jesu. Aus Lukas wissen wir nur, dass er als Zwölfjähriger die Wallfahrt nach Jerusalem mitmachte und dort ohne Wissen der Eltern drei Tage verblieb. Als diese ihn endlich im Tempel wiederfanden, formulierte Maria die vorwurfsvolle Frage: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Sie bekam die Gegenfrage: „Wusstet ihr nicht, dass ich im Hause meines Vaters sein muss?“
Und die Reaktion hierauf: „Sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen untertan.“
Die ganze Geschichte mutet uns auch heute sonderbar an und liegt quer zu den Vorstellungen von einem gehorsamen Kinde. Bei alledem lebte Jesus in einer ganz normalen Familie. Oder?
2. In dieser Familie herrschte nur Gott
Lukas, der uns die Berichte über Verkündigung und Geburt Jesu erzählt, wollte seinen Lesern sagen, dass Jesus sich von klein an als der Sohn des himmlischen Vaters wusste. Dieser Überzeugung folgten die großen Kirchenversammlungen der folgenden Jahrhunderte. Lukas betont nun, dass Jesus den Gesetzeslehrer Erstaunliches über Gott und seinen Dienst sagen konnte. Göttliche Weisheit und Verständigkeit werden ihm hier zugesprochen (G.K. Müller, SKK 3, 42).
Beides charakterisiert den kommenden Wanderprediger und Verkünder der Gottesherrschaft: Wissen um Gott und einfühlender Umgang mit den Menschen.
Das galt auch für die Eltern Jesu: er versteht ihre Angst und Not, kann aber nur darauf hinweisen, dass er letztlich nur einem Gehorsam schuldet, Gott, seinem Vater. Vor ihm weichen alle anderen Autoritäten zurück. Wenn Gott auch das vierte Gebot gegeben hat, so steht doch vor allen Geboten das Wort: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Und an einer anderen Stelle der Bibel (Dtn 6,4-7) heißt es: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft … Das sollst du deinen Söhnen wiederholen und davon reden, wenn du zu Hause sitzt oder auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn die aufstehst (vgl. Lk 10,25-28).
An diese Vorschrift haben sich Maria, die Magd des Herrn, und Josef, der Gerechte, zeitlebens gehalten. Was aber der Wille Gottes im Einzelnen bedeutet, musste immer neu erfragt werden. Und das war für Maria, von der Lukas öfters in seinem Evangelium spricht, ein großes Problem und stellte einen fortdauernden Lernprozess dar, der erst mit der Auferstehung Jesu ein grundsätzliches Ende fand. Erst jetzt konnte sie sagen: Nun verstehe ich all die Worte, die ich in meinem Herzen aufbewahrt hatte.
3. Eine aufgeschlossene Familie
Jesus wuchs in einem recht aufgeschlossenen und liebevollen Milieu auf. Hier konnte er sich auf seinen Beruf vorbereiten.
Was wir Lukas entnehmen können, ist Folgendes vor allem. In dieser Familie spricht man miteinander (Bereitschaft zum Dialog, würden wir sagen). Man darf ruhig nervös und gereizt sein; man wird deshalb nicht getadelt, sondern erhält eine gute Antwort. Der Fall ist erledigt. In dieser Familie darf jeder sein, was er ist. Der Junge kann sich ruhig von den Eltern trennen, ohne dass sie ihm das übelnehmen. Sie gestehen ihm seinen neuen Status zu: als Zwölfjähriger im Sinne des Gesetzes volljährig zu sein. Keine Frage, es bestand keine überzogene Mutterbindung. In dieser Familie muss man sich auch unterordnen, genau wie in jeder anderen geordneten Gemeinschaft. Im konkreten Alltag darf man nichts übers Knie brechen. Der Jüngere muss den Älteren respektieren und ebenso umgekehrt die Eltern das Kind. Es ist nun einmal so, dass man aneinander lernen muss. Hierher gehört auch die gegenseitige Hilfe bei der anfallenden Arbeit. Später erkannte man Jesus daran, dass er seinem Vater bei der Arbeit zur Hand ging (Sohn des Zimmermanns).
In dieser Familie wurde auch, wie bei allen frommen Familien damals, viel gebetet. Man unterhielt sich über die Thora/Gesetz Gottes und erklärte es den Kindern. Man erzählte sich von der großen Hoffnung Israels, dass einmal der Messias kommen werde, der alles ins rechte Lot bringen wird. So wusste Jesus, was sich in den Herzen der kleinen Leute bewegte und wie sie sich nach der Rettung durch Gott sehnten. Dies war bedeutsam für das kommende Leben Jesu; er solidarisierte sich mit ihren Hoffnungen und deutete sie von Gott her. So verstehen wir, dass Lukas sein Kapitel abschließt mit den Worten: „Jesus wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.“